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Kapitel 6

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Beitrag  Eternety Fr Jun 19, 2009 11:57 pm

Kapitel 6

In einer Seitengasse neben dem Club entdeckte ich einige Streuner, die sich über den Abfall hermachten, der dort stand.
Ein Grinsen legte sich auf meine Lippen, als ich die ahnungslosen Tiere sah, abgemagert und halb verhungert, doch gerade genug, um zwei Vampire satt zu machen.
Instinktiv flüchtet jedes Tier vor einem Vampir, denn im Gegensatz zu den Menschen, ziehen wir diese Lebewesen nicht an. Sie wissen, dass wir den Tod bringen. Genau wie wir können sie es schon riechen, wenn wir uns ihnen nähern.
In meinem Fall war und ist das allerdings anders.

Vishous hatte mir einmal erklärt, dass fast jeder Vampir eine besondere Fähigkeit hat.
Er ist in der Lage die Gedanken der Menschen zu erfassen und zu manipulieren. Ein Blick von ihm genügt und die meisten Menschen lassen sich fast freiwillig von ihm beissen, auch wenn es vorraussetzt, dass sie geistig nicht zu stark sind. Je stärker, desto besser können sie seiner Kraft widerstehen, doch er hatte mir gesagt, dass es über die Jahrhunderte immer weniger Menschen geworden sind, die dazu in der Lage waren.

Roselia bezirzte jeden Mann in ihrer Nähe mit ihrer Magie.
Ich kannte sie und wusste, was für ein Biest sie sein konnte, aber wenn man sie nur kurz betrachtete, sah man nur eine wunderschöne Frau vor sich stehen.
Außerdem hatte sie die Fähigkeit, von einer Sekunde auf die Andere, völlig hilflos und flehend zu schauen, was das Gesamtbild der verängstigten Frau komplett machte.

Rham hatte eine Kraft, die noch weit über der eines normalen Vampirs lag, weshalb er sich im Club auch um die Sicherheit kümmerte.
Seine Kraft hatte er mir an einem meiner ersten Tage im Clan bewiesen, als er mich einfach auf den Arm genommen und durch die Gegend getragen hatte. Als er dann auch noch anfing, mich in die Luft zu werfen und wieder aufzufangen, ohne sich auch nur anstrengen zu müssen, wusste ich, dass er nicht übertrieben hatte mit seiner Kraft.

Mir war die Fähigkeit gegeben worden, dass Vertrauen von reinen Kreaturen gewinnen zu können und eine sehr schwach ausgeprägte Form der Telekinese.
Wenn ich mir sehr viel Mühe gab, konnte ich ein Glas auf einem Tisch über wenige Zentimeter bewegen oder einen Stift knapp über den Tisch fliegen lassen, doch noch strengte mich das mehr an als das es nützte, weshalb ich diese Fähigkeit auch mehr oder weniger Ignorierte.
Vishous meinte, dass die Fähigkeit mit der Zeit stärker werden würde und schon jetzt bemerkte ich manchmal, wie Dinge in meiner Umgebung wackelten, wenn ich wütend war oder Hungrig oder beides, doch richtig Kontrolle hatte ich darüber nicht.
Eher schon über die Tiere, die aufschauten, als ich auf leisen Sohlen zu ihnen gelaufen kam.
Ich kniete mich neben ein besonders hässliches Exemplar einer Promenadenmischung.
Sachte streichelte ich dem Tier über den Kopf, was es sich sofort gefallen ließ und statt zurückzuschrecken, drückte es sich noch an mich und ließ sich die Streicheleinheiten gefallen.
Es wäre für mich ein leichtes gewesen, ihn einfach mit zu nehmen und ihn damit von seinem elenden Leben auf der Straße zu erlösen, doch irgendwie hatte ich Mitleid mit ihm.
Stattdessen fiel mir ein großer Schäferhund auf, der gerade eine Mülltonne umgekippt hatte.
Ich beschloss, die Promenadenmischung in Ruhe zu lassen und lieber den Schäferhund zu nehmen.
Der würde wenigstens für uns beide reichen.
Schnell packte ich das Tier im Genick, hob es hoch und trug es zu Vishous zurück, der immer noch im Sessel saß und auf mich wartete.
„Vishous, ich habe etwas gefangen.“, sagte ich, als ich den Raum betrat und ließ den Hund runter, der mich sofort anknurrte und versuchte, sich zu verkriechen.
Das ließ ich aber nicht zu.
Ich packte ihn wieder im Genick, was den Hund winseln ließ und brachte ihn zu unserem Meister.
„Danke, kleine Blume. Ein Mensch ist zwar besser, aber ein Hund ist im Notfall auch nicht schlecht.“, sagte er und packte das Tier.
Schnell schlug er seine Zähne in den Hals und der Hund begann wieder vor Schmerz zu winseln.
Das Winseln ließ schnell nach und ich merkte, dass Vishous großen Durst hatte.
Für mich war nicht mehr viel Blut da, als Vishous mit dem Hund fertig war.
Ich saugte das letzte bisschen aus, bevor ich den leblosen Körper entsorgte und wieder zu Vishous ging, der dabei jede meiner Bewegungen verfolge, was ich natürlich merkte, mir aber nicht anmerken ließ.
„Entschuldige, dass ich dir so wenig gelassen habe, schließlich hast du ihn für uns geholt.“, sagte er und ich schüttelte den Kopf.
„Schon gut. Ich kann mir später noch einen jagen. Hinter dem Club sind viele davon.“
„Tu das. Aber jetzt setz dich.
Du weißt so viel über mich, jetzt ist es an der Zeit, dass du redest.“

Ich lächelte und ließ mich in den Sessel neben ihm sinken.
Ich dachte kurz nach, wo ich beginnen sollte und begann ihm von mir und meiner Vergangenheit zu erzählen.
Vishous hörte mir fasziniert zu und manchmal glaubte ich, dass er den See richtig sehen konnte, an dem ich aufgewachsen war.
Ich begann mit meiner Kindheit, die ich glücklich mit meinen Eltern dort verbracht hatte.
Im Sommer hatte mein Vater mich oft mit hinaus auf den See genommen, um dort Fische zu fangen, die meine Mutter dann für uns zum Abendessen kochte.
Von dem Wald, in dem ich als Kind oft gespielt oder mich einfach nur versteckt hatte.
„Du warst dort glücklich.“, sagte Vishous, als ich eine Pause machte und ins Feuer schaute.
Das war keine Frage, sondern eine Feststellung und ich nickte.
„Ja, das war ich… Auf jeden Fall, bis meine Mutter starb“, erklärte ich und schon spürte ich, wie sich mein Herz in meiner Brust zusammenzog. Es musste dafür nicht einmal schlagen, denn der Schmerz, den ich spürte, ging weit über das hinaus, was ein Mensch fühlte.
Es war so, seit ich ein Vampir war. Immer, wenn ich an meine Mutter dachte, hatte ich das Gefühl, dass der Schmerz mich zerfressen würde, während ich anderes kaum noch fühlte…
„Was ist dann gewesen, kleine Blume?“, fragte mich Vishous und ich sah ihn aus traurigen Augen an.
„Mein Vater… Er hat das nie überwunden… Immer hat er sie in mir gesehen, das wusste ich, besonders, wenn er etwas getrunken hatte und mich dann mit ihrem Namen ansprach…“, erzählte ich Vishous. „Ich sehe ihr ähnlich, aber… für ihn war ich nie wie sie. Er konnte mich einfach nicht lieben, weil ich ihn immer nur enttäuscht habe, egal was ich tat.
Ich war nicht stark genug für die Arbeit, nicht hübsch genug, um endlich einen Mann zu finden, nicht fleißig genug, um alles zu tun, was er verlangte. Erst machte mich das alles so traurig, dann wütend, aber irgendwann fühlte ich gar nichts mehr… Ich machte meine Arbeit und wollte nur noch von dort weg.“
Ich verstummte und sah ins Feuer, bis ich mich wieder gefangen hatte.
Ich schob die Gefühle beiseite, wie ich das schon seit Jahren tat und versuchte, einfach weiter zu erzählen.
„Dann bin ich irgendwann gegangen. Du hast mich gefunden und hier bin ich nun…“, meinte ich und sah ihn an.
Er lächelte, bevor er aufstand, das Feuer löschte und mir dann die Hand reichte.
„Es ist Zeit, schlafen zu gehen. Die Sonne geht bald auf.“, sagte er freundlich, während er mich hochzog.
Ich nickte und rieb mir die Augen.
Ich hatte gar nicht gemerkt, wie lange ich erzählt hatte und mit einem Blick auf den Horizont sah ich sofort, dass er Recht hatte.
„Schlaf schön, Vishous.“, sagte ich und wollte gehen, als er mich aufhielt.
„Du auch, kleine Blume.“, hauchte er und zog mich für einen kurzen Augenblick an sich.
Es war fast nur ein Hauch, als seine Lippen meine Berührten und so schnell, wie es gekommen war, war es auch wieder verschwunden.
Ich schaute ihn an, wollte irgendwas tun, um ihn fest zu halten, doch er war schon verschwunden.
Er hielt abstand und seine ganze Art verriet mir, dass irgendetwas nicht in Ordnung war.
Jedes Mal wieder, wenn er mich kurz an sich zog, spürte ich, dass er kämpfte…
Doch warum und wogegen, dass konnte ich ihn nie fragen und ich war mir auch sicher, dass ich keine Antwort bekommen würde…
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