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Kapitel 16

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Beitrag  Eternety Sa Jun 20, 2009 1:48 am

Kapitel 16

Bald schon erreichten wir ein Viertel, in dem es vor Kneipen und Bordellen nur so wimmelte.
Betrunkene Menschen torkelten uns entgegen, die nach Bier und Zigaretten stanken.
Ich rümpfte die Nase, als mich einer von ihnen anrempelte und mir dabei sein stinkender Atem ins Gesicht schlug.
„Vishous, was machen wir hier? Gibt es kein anderes Jagdgebiet?“, fragte ich ihn leise, doch er lächelte nur leicht.
„Schon, aber wir sind aus gutem Grund hier. Erstens fällt es kaum auf, wenn hier jemand verschwindet, zweitens bekommen wir hier leichte Beute, vor allem, wenn du sie anlockst und drittens…“, er machte eine kleine Pause und deutete auf einer Gruppe junger Männer, die aus einem Gebäude kamen. „Siehst du die Jäger? Riechst du sie?“, flüsterte er mir leise ins Ohr.
Ich schloss die Augen und konzentrierte mich auf sie.
Es war schwer, doch ich konnte ihren Geruch tatsächlich wahrnehmen. Er unterschied sich deutlich von dem der anderen Menschen.
„Ja…“, antwortete ich deshalb leise. „Warum riechen sie anders?“, wollte ich wissen und Vishous flüsterte: „Das liegt daran, dass sie mit magischen Gegenständen üben, genau wie wir. Dein Schwert ist nicht nur ein Schwert. Die Runen vergiften die Wunden, die es schneidet. Ein Mensch geht an ihnen zugrunde, wenn er die Gegenmittel nicht kennt.“, erklärte er und ich erschrak.
„Was ist mit dir? Ich habe dich auch verletzt!“
Ich sah ihn an, doch er lächelte.
„Mir tut es nichts. Ich lebe nicht. Ein Gift schadet mir nicht, genauso wenig wie dir mein Schwert vorhin geschadet hat. Die Wunde ist fast wieder verheilt.“, sagte er und strich über die Wunde auf meinem Brustbein. Ich trug noch immer dasselbe Shirt, dass ich vorher getragen hatte, denn es war nur Zeit gewesen, einen Mantel darüber zu werfen.
Die Kälte machte mir nichts aus, doch so fiel ich weniger auf als im Winter mit T-Shirt.
Doch nicht die Kälte war es, die mir zusetzte, sondern seine Berührung. Ich wollte sie ausblenden, doch das war mir nicht möglich und so versuchte ich einfach, mich auf den fremden Geruch zu konzentrieren.
„Sie kommen näher…“, sagte ich und Vishous nickte.
„Ja, das tun sie. Wir lassen sie vorbeigehen. Wenn wir sie angreifen, ist hier gleich die Hölle los.“
Ich nickte und schaute mich um. Da waren einige einsame Herren, von denen viele gute Opfer abgeben würden.
„Soll ich ein bisschen verschüchterte Frau spielen?“, fragte ich Vishous deshalb, doch der sah nur an mir runter und grinste mich an.
„Helia, die kauft dir niemand mehr ab. Wann hast du das letzte Mal in den Spiegel geschaut?“, wollte er wissen und ich schaute ihn verwirrt an.
„Heute Abend, sonst säße mein Make-up garantiert nicht so, wie es das tut.“, sagte ich frech.
Er lächelte mich wieder an und musterte mich erneut.
„Dann solltest du wissen, wie du wirkst. Wenn du hilflose Frau spielst, solltest du nicht unbedingt aussehen, als würdest du es mit jedem aufnehmen. Das Training hat dir gut getan, aber ich fürchte, so kommen wir an keine Beute.“, meinte er und schaute sich weiter nach einem Opfer um.
Jetzt war es an mir zu lächeln.
„Wart’s nur ab, Vishous. Ich geb dir ein Zeichen. Folg mir mit Abstand.“
Er sah mich erstaunt an, als ich auf einen der Männer zuging und ihn ansprach. Ich spielte zwar nicht die hilflose Frau, doch bat ihn trotzdem um Hilfe. Ich erklärte, dass ich bestohlen worden wäre und nicht wüsste, wo die nächste Polizeistelle sei. Dazu klimperte ich leicht mit den Augen und spielte mit einer langen Strähne, die den Ausdruck der Naivität unterstreichen und ihn von meinem Äußeren ablenken sollte.
Eine Frage, ob er mir sie zeigen könnte, genügte, um seinen Widerstand zu brechen.
Dafür ist eine Vampirfrau zu verlockend. Wir wirken unnatürlich schön auf die Menschen, so das sie oft ihren Verstand ausschalten.
Er reichte mir seinen Arm, was ich mehr als seltsam fand, doch ich akzeptierte es so, und führte mich die Straße entlang.
Dabei versuchte er, ein Gespräch mit mir zu beginnen und fragte mich nach Namen und Herkunft aus, was ich als willkommene Ablenkung auch beantwortete. So würde er viel zu spät merken, was mit ihm geschah.
Vishous bekam von mir ein Zeichen, uns auf Abstand zu folgen und so liefen wir einige hundert Meter, bis ich mir sicher war, dass kein Jäger in der Nähe war.
Ich machte einen gespielt ungeschickten Schritt und tat so, als würde ich umknicken, um meinen Begleiter zum Stehen zu bringen.
Er stütze mich natürlich sofort und war dadurch unaufmerksamer, als er es durch das Gespräch schon war.
Ein tödlicher Fehler von ihn, doch das wusste er noch nicht.
Auf diesen Augenblick hatte Vishous gewartet und half mir, ihn in die geschützte Gasse zu bringen.
Meine Hand lag auf seinem Mund, so das er nicht schreien konnte und ich grinste Vishous an.
„Nicht hilflose Frau in dunkler Gasse, aber so hat es doch auch funktioniert.“
„Sehr gut, kleine Blume und so schön unauffällig.“, lobte er mich, bevor wir Beide unsere Zähne in seinen Hals bohrten.
Ich spürte regelrecht, wie sein Blut in jede Zelle meines Körpers lief und ihn wieder mit dem Schein des Lebens erfüllte.
Die Wunde auf meiner Brust wurde spürbar kleiner und war am Ende fast ganz verschwunden.
Schnell war der Mann leer und wir ließen ihn fallen.
„Wo entsorgen wir ihn?“, fragte ich Vishous, doch er winkte ab.
„Das hat Zeit…“, sagte er und schon war er über mir.
Sachte drängte er mich gegen die Wand und kam mir immer näher.
Er lächelte, als ich mich leicht wehrte und nahm dann meine Lippen gefangen.
Erst wehrte ich mich weiter, doch dann wurde es viel zu verlockend, seinen Kuss zu erwidern.
Ich schmeckte das Blut des Mannes auf seinen Lippen, was jedem Kuss noch den Nachgeschmack unseres Mahls gab.
Seine Hände lagen auf meinen Hüften und zogen mich an ihn.
Ein leises Knurren verließ meine Lippen, als er den Kuss löste, doch schnell spürte ich seine Lippen an meinem Hals.
„Nicht hier…“, flüsterte ich. „Was ist, wenn die Jäger uns finden… oder andere Vampire.“
Mir fiel es selber schwer, das zu sagen, doch es war nötig. Der Rausch der Jagd machte uns unvorsichtig und das durfte einfach nicht sein. Fanden uns andere Vampire, konnten wir Probleme bekommen, fanden uns die Jäger, könnten sie uns töten.
Das wusste auch Vishous und so löste er sich von mir. Sein Blick fing den Meinen ein und er strich mir noch einmal über die Seite.
„Du hast Recht, kleine Blume… Gehen wir nach Hause.“
Ich nickte und wischte mir das letzte bisschen Blut aus dem Gesicht.
„Außerdem hast du mir noch etwas zu erklären. Was meinte er damit, dass das nicht gut gehen kann? Und welche Dämonengesetze?“, fragte ich, doch er seufzte nur.
„Komm, kleine Blume. Das erzähle ich dir vor dem Kamin. Hier ist es mir zu ungemütlich.“, meinte er und ich nickte, bevor mein Blick auf die Leiche fiel.
„Was ist mit ihm?“
„Wir lassen ihn liegen. Die Jäger sollen wissen, dass wir vor ihrer Tür jagen und sie nichts ausrichten können.“, sagte er bestimmt, bevor er mich mit sich zog.

In Windeseile waren wir zu Hause und saßen vor dem Kamin in seinem Arbeitszimmer.
Er hatte sich in seinen Sessel gesetzt und eigentlich saß ich sonst immer in dem daneben, doch heute wollte ich mir etwas nähe erschleichen. Ich setze mich also auf den Boden neben ihm und lehnte mich an seine Beine.
„Was machst du da, kleine Blume?“, fragte er verwirrt, doch ich lächelte.
„Das ist gemütlicher…“, antwortete ich und sah in das Feuer.
Längere Zeit herrschte Schweigen, bevor Vishous das Wort ergriff.
„Du wolltest wissen, was es mit den Dämonengesetzen auf sich hat. Es ist so: es gibt zwei Arten Dämonen, wie dir wahrscheinlich schon aufgefallen ist. Die in Menschenform und die Anderen, wie Torsti. Die Meisten in Menschenform sind Vampire, genau wie wir, doch es gibt noch zwei oder drei andere Gruppen. Die anderen Dämonen halten sich eher im Hintergrund. Viele sind sehr intelligent und leben in Gebieten, in die kaum ein Mensch geht.
Einige Arten sind einfach nur dumm wie Brot, wie die Kanaldämonen, doch Torstis Leute sind das genaue Gegenteil. Sie sind Meister in ihrem Handwerk und du bekommst keine besseren Klingen als ihre.
Allerdings gibt es ein Gesetz, dass sie damals gemeinsam mit den Vampirältesten beschlossen haben: sie stellen die Waffen, aber sie kämpfen nicht. Das hat vor allem etwas mit den Menschen zu tun, denn blaue Haut würde sie zu sehr irritieren und ihnen irgendwann klar machen, dass sie nicht die einzigen intelligenten Lebewesen sind.
Außerdem sind sie schlechte Kämpfer. Sie haben sich auf das Handwerk verlegt und deshalb das Kämpfen aufgegeben. Werden sie angegriffen, helfen wir ihnen sich zu verteidigen, werden wir angegriffen, helfen sie uns mit Waffen
Torsti haben ich so kennen gelernt. Ihre Stadt wurde angegriffen und wir haben sie verteidigt. Damals hat er mir mein Schwert geschenkt.“, erzählte er mir und ich hörte gespannt zu.
Als er fertig war, herrschte wieder längere Zeit Stille, bis ich sie unterbrach.
„Was meinte er mit: das kann nicht gut gehen?“, fragte ich ihn und sah weiter ins Feuer.
Er strich mir sachte durch die Haare, bevor er begann, es mir zu erklären.
„Er hat das gesagt, weil es selten gut geht, Helia… Du weißt schon einiges, aber nicht alles, kleine Blume. Torsti ist älter als ich. Viel älter. Er hat schon viele Vampirdynastien auf und wieder untergehen sehen. Er hat mir einmal von einem Vampirpaar erzählt. Sie waren verliebt, wie er es nie wieder gesehen hat, doch über die Jahrhunderte fügten sie sich gegenseitig mehr leid zu, als du dir und selbst ich mir vorstellen kann.“
Ich sah nach oben und bemerkte, dass sein Blick in die Ferne ging.
„Ist das der Grund, warum du mich auf Abstand halten willst?“, fragte ich leise und setze mich auf meine Knie, um ihn anschauen zu können.
Er nickte und strich mir mit seiner Hand über die Wange, bevor er aufstand.
„Es ist spät…“, begann er, doch ich unterbrach ihn.
„Nein, ich gehe nicht schlafen. Nicht so.“
Ich stand auf und bevor er dieses Mal reagieren konnte, hatte ich ihn gegen die nächste Wand gedrückt.
Eigentlich war das ja seine Methode, aber wenn sie funktionierte, musste auch er mal darunter leiden.
„Hör auf damit, mich auf Abstand halten zu wollen, nur um mich dann wieder kurz in deinen Kreis zu ziehen.“, fauchte ich wütend. „Mir ist es egal, wie wir weiter machen, aber es wird Zeit für eine Entscheidung. Willst du mich an deiner Seite? Ja oder nein, Meister?“, fragte ich und sah ihn an.
Ich hatte ihn in die Enge gedrängt und zwang ihn zu einer Antwort. Mir war bewusst, wie unfair das war, doch ich wusste auch, dass es so sein musste.
Ich liebte ihn, doch auf Dauer würde ich das nicht aushalten.
Ich musste wissen, was er wollte und wie es weiter ging. Mich weiter selber damit zu quälen, würde mich irgendwann verzweifeln lassen .
Er sah mich kurz an, bevor er mich packte und an sich zog. Seine Augen fingen meinen Blick ein und hielten ihn fest.
„Bist du bereit, alles geheim zu halten, bis ich eine Lösung gefunden habe, kleine Blume?“, fragte er mich und küsste mich kurz auf die Lippen. „Ich werde eine finden und wenn ich dafür Himmel und Hölle durchsuchen muss.“
Ich wartete. Ich wollte etwas hören, doch es kam nicht und es würde auch nicht kommen, wenn ich nicht danach fragte.
Ich kannte ihn.
Er würde nicht einfach über seine Gefühle sprechen und so blieb mir nichts anderes übrig als ihn dazu anzustacheln.
„Warum?“, fragte ich deshalb und er lächelte.
„Kleine dumme Blume…“, neckte er mich „weil ich dich liebe…“
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